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IMKEREI – PARTNER BEIM INSEKTENSCHUTZ


Mit der Krefelder Studie wurde 2017 der dramatische Rückgang der Insekten in Deutschland erstmals einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Sie wies eine Abnahme der Insektenmasse um 76 % über einen Zeitraum von 27 Jahren nach. Hauptursachen für diesen Rückgang sind der Verlust des Lebensraumes aufgrund von Flächenversiegelung sowie die intensive Landwirtschaft. So ist beispielsweise die Blütenvielfalt der Heuwiesen als Nahrungsgrundlage für Insekten weitgehend verschwunden. Dies betrifft vor allem bestäubende Insekten wie Honig- und Wildbienen, die von Pollen und Nektar abhängig sind.
 
Vor diesem Hintergrund hat der Deutsche Imkerbund als Vertreter von rund 140.000 Imkerinnen und Imkern in Deutschland dieses Positionspapier zur aktuellen Debatte um den Insektenschwund und vermeintlich negative Einflüsse der Imkerei auf Wildbienen verfasst.
 
 
1. LEBENSRÄUME FÜR ALLE INSEKTEN SCHAFFEN UND ERHALTEN
Auf Honig- und Wildbienen wirken heutzutage zahlreiche negative durch den Menschen verursachte Faktoren. Diese müssen verringert und möglichst beseitigt werden. Dabei handelt es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Monotone Kulturen in der Agrarlandschaft, Flächenversiegelung in Stadt und Land und andere Faktoren verändern die Lebensräume der Blütenbestäuber derart massiv, dass nicht nur der Erhalt vieler Arten, sondern auch die immens wichtige Bestäubungsleistung stark gefährdet ist. Deshalb müssen neue, geeignete Lebensräume geschaffen werden.
 
Derartige Lebensräume müssen Nahrungsquellen, Nistplätze und Überwinterungsmöglichkeiten bieten, die ganzjährig über mehrere Jahre hinweg zur Verfügung stehen, wie Blühhecken, Waldsaumübergänge oder Blühstreifen. Ein fehlendes Nahrungsangebot – unter anderem durch den Wegfall von Heuwiesen, die Veränderung der Bodenqualität durch Stickstoffeintrag und fehlende Entnahme von Biomasse (Mähmanagement) – wirkt sich besonders auf Wildbienenarten aus, die bei der Nahrungssuche auf bestimmte Pflanzenarten spezialisiert sind. Die Lösung für diese Probleme sind zahlreiche, gut „vernetzte“ Lebensräume.
 
 
2. NUR GEMEINSAM SIND SIE STARK
Seit Millionen von Jahren herrscht zwischen unterschiedlichen Arten Wettbewerb. Er ist Treiber und Motor der Evolution und damit grundlegender Bestandteil der „Natur“. Durch unsere Eingriffe in die Landschaft beeinflussen wir Menschen diesen Wettbewerb und gefährden damit den Fortbestand vieler Arten. Wildbienen konkurrieren dabei untereinander nicht nur um Nahrung, sondern auch um Nistplätze. Zudem treten gezüchtete sowie invasive Wildbienenarten mit ihnen in Konkurrenz. Insgesamt sind in Deutschland derzeit über 560 Wildbienenarten nachgewiesen, die Honigbiene ist eine davon. 
 
Honigbienen sind und waren schon immer natürlicher Bestandteil der Bienenfauna Mitteleuropas. Die meisten Studien, die eine möglicherweise problematische Konkurrenz zwischen Wild- und Honigbienen beschreiben, stammen von Kontinenten, auf denen die Honigbiene eine Neubürgerin ist. Diese Situation ist nicht auf deutsche Verhältnisse übertragbar. Viele kritische Studien weisen zudem methodische Mängel auf oder stellen lediglich Computersimulationen und Modelle dar, die mit starken Vereinfachungen arbeiten.
 
Wild- und Honigbienen sorgen gemeinsam für eine weitaus bessere Bestäubung, als wenn eine Artengruppe ausgeschlossen ist. Dieses evolutionär optimierte Zusammenspiel hat in Mitteleuropa für ein flächig vorhandenes Bestäubungsorchester gesorgt. Dabei spielen Honigbienen als Massenbestäuber eine erhebliche Bedeutung in der Nahrungskette – sei es als Lieferanten für Früchte, Samen und Beeren oder als Nahrungsgrundlage für insektenfressende Tiere. Wissenschaftliche Publikationen, die diese Interaktionen zeigen, gibt es reichlich!
 
 
3. GUTE IMKERLICHE PRAXIS IST UNVERZICHTBAR
Die gute imkerliche Praxis ist die Grundlage für eine verantwortungsbewusste Imkerei. Die Imkerei stellt den Unterschied zwischen Wild- und Honigbienen dar, da Honigbienen heutzutage fast ausschließlich durch den Menschen betreut werden. Daher kommt der guten Imkerlichen Praxis eine besondere Bedeutung zu. Wir Imkerinnen und Imker bekennen uns zur guten Imkerlichen Praxis, die wir durch ständige Aus- und Weiterbildung sicherstellen. Damit erreichen wir eine fortlaufende Anpassung an sich verändernde Umweltsituationen. Gemäß guter Imkerlicher Praxis soll die Anzahl der aufgestellten Bienenvölker im Einklang unter anderem mit Trachtangebot, Wetter und benachbarten Bienenständen stehen.
 
 
4. NATURSCHUTZ GEMEINSAM MIT DER HONIGBIENE
Naturschutzgebiete sind sinnvoll und notwendig. Damit sie ihre Schutzzwecke erfüllen können, müssen sie ausreichend groß dimensioniert sein. Zudem muss klar definiert sein, welchen Schutzzweck ein bestimmtes Gebiet erfüllen soll. Sollte ein Aufstellverbot von Honigbienenvölkern erwogen werden, muss deutlich herausgearbeitet werden, ob dies unter Umständen dem Schutzzweck zuwiderlaufen könnte, denn Honigbienen sind ein wichtiges Glied in der Nahrungskette und unterstützen die Bestäubung einer Vielzahl von Pflanzen.
 
 
5. BIENENZUCHT IST NOTWENDIG
Zur Sicherung einer gesunden und an den Klimawandel angepassten Honigbiene ist konsequente Selektion erforderlich, um standortangepasste Bienen zu erhalten. Durch Zuchtarbeit können Honigbienen an Umweltveränderungen schneller angepasst werden. Diese Selektionsarbeit kann nur mittels regionaler Belegstellen geleistet werden. Diese sind zu sichern und zu erhalten.
 
 
6. NÜTZLINGE NICHT ZU SCHÄDLINGEN WERDEN LASSEN
Die Zucht und der Einsatz von Nützlingen, besonders von Hummeln, Mauerbienen und Blattschneiderbienen, zu Bestäubungszwecken muss so reformiert werden, dass die gezüchteten Tiere nicht in die freie Natur entweichen können. Sie führen zu einer Verfälschung der Fauna, verdrängen Arten, übertragen Krankheiten, schränken durch Einkreuzung die genetische Vielfalt natürlicher Populationen ein und verschärfen auf diese Weise denkbare Konkurrenzsituationen.
 
 
7. INVASIVE ARTEN KONSEQUENT BEKÄMPFEN
Bedingt auch durch den Klimawandel wandern neue invasive Arten wie die asiatische Hornisse (Vespa velutina) nach Deutschland ein. Sie können neben wirtschaftlichen Schäden auch Ökosysteme negativ beeinflussen. Gemäß EU-Verordnung 1143/2014 müssen invasive Arten unionsweiter Bedeutung der Natur umgehend entnommen werden. Auch wir Imkerinnen und Imker melden entdeckte Tiere und Nester von Vespa velutina sofort den offiziellen Stellen. Dafür sollte eine einheitliche bundesweite Plattform eingerichtet werden. Die Beseitigung obliegt den Umweltministerien und deren nachgeordneten Naturschutzbehörden. Für die zuständigen Behörden muss ein bundesweit abgestimmtes Vorgehen festgelegt werden.
 
 
8. GESUNDE BESTÄUBER SIND UNVERZICHTBAR
Krankheitsübertragungen können zwischen diversen Wildbienenarten stattfinden, in jede Richtung (spillover – spillback). Ein besonderes Risiko besteht bei der Nützlingszucht (Hummeln und Wildbienen), da dort die Zuchtvölker oft mit Pollen aus ungeklärter Herkunft gefüttert werden. Imkerinnen und Imker beugen entsprechend § 2 des Tierschutzgesetzes und den Regeln der guten Imkerlichen Praxis Krankheiten ihrer Bienenvölker vor.
 
 
9. GEMEINSAMES HANDELN TUT NOT
Der Rückgang etlicher Wildbienen-Arten, das vermehrte Einwandern invasiver Arten, das häufigere Auftreten von Krankheiten – nicht zuletzt aufgrund rückläufiger Nahrungsangebote – zeigen, dass sich in den natürlichen Lebensräumen vieles zum Negativen ändert. Wir alle werden die Situation für die Bestäuber und andere Insekten nur dann verbessern, wenn wir uns gemeinsam auf den Weg machen. Wir Imkerinnen und Imker engagieren uns seit Jahrzehnten für die Umwelt. Uns nun an den Pranger zu stellen und uns als Ursache für den Rückgang etlicher Wildbienenarten verantwortlich zu machen, wird den Wildbienen in Deutschland nicht helfen. Letztlich können sich alle Beteiligten frei entscheiden, ob sie sich entweder gemeinsam für Verbesserungen in der Umwelt einsetzen oder ob sie sich in Detaildiskussionen verzetteln und dabei das große Ganze aus den Augen verlieren.
 
 
Für weitergehende Informationen wenden Sie sich bitte an die Geschäftsstelle des Deutschen Imkerbundes.

 

 

Positionspapier hier zum Download